Am 22. Januar 2013 hat Andreas Radig (52) sein Restaurant Vis-à-Vis im Rathaus Schönwalde eröffnet. Kurz darauf erreichte uns ein Anruf in der Redaktion. Radig war dran. Ob wir nicht einmal vorbeikommen, ob wir nicht einen Artikel für die Zeitung machen könnten.
Wir trafen auf einen kantigen Berliner mit vielen Tattoos auf den Armen und einer lauten Stimme. Und wir trafen einen leidenschaftlichen Koch, der echte kulinarische Finesse hat und mit Begeisterung immer wieder etwas Neues für seine Gäste zaubert. Nicht oft genug, aber häufig waren wir in den folgenden Monaten bei Andreas zu Gast. Und immer freute er sich wie ein kleines Kind, wenn wir uns über einen neuen Kücheneinfall von ihm begeistert zeigten. Der Mann kann kochen. Und er hat echten Spaß daran.
Zugleich ist das Vis-à-Vis immer sauber, auch in der Küche gibt es kein Chaos. Andreas Frau Sabella arbeitet im Service. Es ist hier immer so, dass man sich sofort willkommen fühlt.
Was Andreas Radig aber zum „Unternehmer des Monats“ macht: Der Mann hat einen Plan. Und zieht ihn professionell durch. Endlich einmal. Endlich überlegt ein Gastronom, was man besser machen könnte, was noch fehlt und was den Gast ein kleines Stück glücklicher machen könnte.
Das begann für uns mit der Rechnung. Die kommt im Vis-à-Vis immer in einem kleinen Pappheftchen, auf dem eine lustige Fake-Rechnung mit sehr irreführenden Posten aufgedruckt ist. Das sorgt beim schlimmsten Teil des Restaurant-Besuchs – dem Bezahlen – für ein klein bisschen Humor. Noch besser: Der Rechnung liegt immer auch ein Zettel mit allen Terminen der kommenden Themenabende bei.
Die Themenabende sind Teil 2 des Radigschen Masterplans. Einmal im Monat gibt es an einem Donnerstag ein geheimnisvolles Menü, zu dem immer nur der Name bekannt ist. Am 10. Juli heißt das Motto etwa „Badenser und Gelbfüßler“. Wer einen solchen Abend bucht, lässt sich kulinarisch völlig überraschen. Die Idee kommt so gut an, dass der Donnerstag das ganze Jahr hindurch so gut wie ausgebucht ist. Inzwischen hat Andreas auch noch den Mittwoch dazugenommen, um die steigende Nachfrage befriedigen zu können. Der Themenabend kommt aber auch deswegen so gut bei den Gästen an, weil die Termine bereits auf Monate im Voraus feststehen. Inzwischen ist es doch gelebter Alltag bei den Familien, dass die Termine der kommenden acht Wochen meist schon komplett belegt sind und man langfristiger planen muss. Das haben viele Gastronomen noch nicht begriffen.
Was funktioniert, wird ausgebaut. Inzwischen gibt es am Sonntag einen wöchentlich wechselnden Braten für die ganze Familie – mit Schüsseln, die hin und her gereicht werden. Wie früher, wenn Oma gekocht hat. Dieses Gefühl des Zusammenseins ist in vielen Familien verloren gegangen, Andreas stellt es wieder her.
Andreas kocht inzwischen auch für die Praxen und Büros in der Nachbarschaft – und liefert das Essen auf Porzellan aus, das sieht für ihn einfach schöner aus. Die sauberen Teller werden immer wieder zurückgebracht. Wieder eine Idee, die funktioniert.
Letztens standen wir in der Küche und Andreas offenbarte mir etwas von seinem Langzeitplan. Er erzählte, wie er gewonnenes Geld reinvestiert, was er noch alles so vorhat und wie lecker dann das Essen erst sein wird. Ich darf nix verraten, aber: Respekt. Wenn auch diese Pläne noch umgesetzt werden, dann müssen wir noch ein paar Artikel schreiben.
Mich begeistert sehr, wie hier gleich mehrere Tugenden zusammenkommen: Der Mann kann kochen, er kann ein Restaurant führen, er hat Ideen, er erzählt keinen Quatsch, er verzettelt sich nicht. Und er gibt sich Mühe, jeden Tag aufs Neue. Das beschert ihm immer wieder neue Stammkunden. Und die helfen ihm mit ihren Umsätzen dabei, den Masterplan fortzuspinnen.
Das ist eine Seltenheit. Ich kann mich noch erinnern, wie wir 2009 das beste Restaurant der Stadt wählen ließen. Und von 30 Restaurants, die wir zur Wahl stellten, waren drei Monate später sieben schon wieder pleite.
Andreas zeigt, was man tun muss, um so eine Pleite abzuwenden. Man muss kämpfen, Ideen haben, etwas tun, konsequent sein, Termine einhalten und sich nicht im Chaos verlieren. Weiter so, Andreas, bleib am Ball und zeig, was du kannst. Wir sind stolz auf das, was du erreicht hast. (Carsten Scheibe)
Kontakt: Vis à Vis Bistro – Café – Restaurant, Andreas Radig, Berliner Allee 7, 14621 Schönwalde-Glien, Tel.: 03322 – 4299884, www.vis-a-vis-schönwalde.de